Weihnachten in der Schule

Lästige Pflicht, willkommene Fluchtmöglichkeit oder doch mehr?

Spätestens mit dem Beginn der Adventszeit erreicht die alljährliche mitreißende Vorweihnachtswelle auch die Bildungsanstalten. Welcher Schnarchzapfen es bis jetzt noch nicht mitgekriegt hat, dass die "stade Zeit" begonnen hat, bekommt es nun (täglich?) vorgeführt.

Oder kennst du vielleicht eine Schule, die ihrer Aula nicht mit einem Adventskranz weihnachtlichen Flair zu verleihen sucht?

Und die doofen Grundschüler, die ja noch alles mit sich machen lassen, kleistern die Fenster ihres Klassenzimmers mit mehr oder weniger (meistens weniger) gelungenen Sternen zu, die sie zuvor im Unterricht mit großer Begeisterung gebastelt haben. So dass die Leute, die am Schulgebäude vorbei spazieren, sich darüber freuen können, dass die Schulen heutzutage das Weihnachtsfest noch ernst nehmen. Ja, die lieben Kleinen sind es auch, die sich dazu hergeben, ein Krippenspiel auf die Beine zu stellen, ihren Blockflöten ein beachtliches "Stille Nacht" abzuringen und in einem eigens für diesen Zweck zusammen geschusterten Freiwilligen-Chor ein Weihnachtsliederpotpourri zu trällern. Inklusive "Jingle Bells", weil es im Zeitalter der Globalisierung Weltoffenheit zu demonstrieren gilt und man beweisen möchte, dass der Englischunterricht nicht völlig umsonst ist.

Dieses Standardprogramm (oder besser gesagt Minimalprogramm?) genügt für einen erfolgreichen Elternabend, der alle Beteiligten zufrieden stellt.

Die Schüler, weil sie für ihren selbstlosen Einsatz etliche Freistunden, einen langen Abend mit spätem Zubettgehen und außerdem eine Orange oder Lebkuchen von einem gerührten Direktor in die Hand gedrückt bekommen.

Die Eltern, weil ihr Sprössling wenigstens einmal im Schuljahr positiv auffällt und sie beim Herumschauen feststellen, dass sie den optischen Vergleich, was Klamotten, Schmuck, Frisur, Figur, Falten, Bauch usw. anbelangt, zu den anderen Eltern nicht scheuen müssen.

Die Schulleitung schließlich, weil die Veranstaltung endlich mal wieder für einen lobenden Zeitungsbericht reicht. Wo doch der Schulrat so viel Wert darauf legt!

Klar, da habe ich schon etwas dick aufgetragen, aber ein Körnchen Wahrheit dürfte doch dabei gewesen sein, oder?

Lasst uns doch mal schauen, wie Weihnachten in der Schule noch aussieht bzw. aussehen könnte. Welche "Klassiker" es da gibt und wie man sie vielleicht etwas aufpeppen und ergänzen könnte...


Weihnachtsbastelei

Wenn´s denn schon die obligatorischen Sterne und Engel sein müssen, dann diesmal vielleicht aus sogenanntem alternativem Material wie (Tannen-)Zweigen, Tannenzapfen, Kastanien, Nüssen, Gewürzen, Früchten usw. Sich auf Bastelstoffe zu beschränken, die man zuvor bei einem gemeinsamen Waldbegehung mit der Klasse gesammelt hat oder die in jedem Haushalt zu finden sind, ist ein echte Herausforderung und wird sicher zu interessanten (und nicht unbedingt schlechten) Ergebnissen führen! Schon aus umweltfreundlichen Gesichtspunkten eine nachdenkenswerte Alternative. In ein Fachgeschäft zu laufen und sich dort mit teurem Gold- und Transparentpapier oder gar Glitzerspray einzudecken, ist schließlich keine große Kunst...

Und in Kunsterziehung malt ihr dazu die passenden Weihnachtskarten! Die Empfänger werden sich über die echten "Unikate" sicher freuen.


Krippenspiel

Nichts gegen das Krippenspiel ins seiner herkömmlichen Form. Es wird immer seinen Platz haben und Kinderaugen zum Leuchten bringen. Da ihr jedoch schon etwas älter seid, könntet ihr euch mit der Weihnachtsgeschichte und ihrem Kerngedanken intensiver auseinander setzen und die Herbergssuche für die heutige Zeit passend aktualisieren: ein anderes Land, eine bestimmte Bevölkerungsschicht, aktuelle Themen (Gentechnik, Umwelt, Arbeitslosigkeit, AIDS...) mit einflechten. Damit die Zuschauer nicht im Weihnachtszuckerguss ersticken, sondern ins Grübeln kommen...

Musik

Hier lautet die Devise: Weg vom Konsumenten hin zum Produzenten. Schluss mit bequemer Berieselung! Stimmbruch als Ausrede gilt übrigens auch nicht. Zwei Vorschläge: sich an einem fremdsprachigen Weihnachtslied (verboten: "Jingle Bells") in Englisch, Italienisch, Französisch oder Spanisch probieren (Vielleicht habt ihr ja ausländische Schüler in eurer Klasse, die euch mit Weihnachtsliedern aus ihrer Heimat versorgen können?). Egal, wenn ihr nach Lautschrift singt und nicht alles versteht, das, was hinter dem Lied steckt, wird auch so rüber kommen. Eine reizvolle Aufgabe wäre zudem, mehrere bekannte Weihnachtslieder zu einem interessanten Mix zusammenstellen oder ,die kreative Herausforderung schlechthin, sich einen eigenen Weihnachts-Rap auszudenken. Sprechgesang mit Weihnachtstexten. Wär doch cool, Mann.


Besinnung

Ein Aspekt der Vorweihnachtszeit, den viele Lehrer gerne ausfallen lassen, weil er bei den Schülern ohnehin nicht gefragt ist und nur zusätzliche Mühe und meist auch Ärger macht. Weil sich ihre Kundschaft nicht darauf einlässt oder die Ruhe als Aufforderung zum "Gaudi machen" missversteht. Erschreckt ein unverbesserlich idealistischer Pauker seine Pappenheimer dann gar noch mit einer zum Advent passenden Meditation oder anspruchsvollen philosophischen Texten bzw. welchen mit überdeutlichem moralischen Zeigefinger, dann ist es mit der angestrebten Besinnung ganz vorbei. Weil das Volk nämlich streikt.

Gegenvorschlag: Jeden Morgen übernimmt ein andere Schüler die Aufgabe, einen Text, der ihn berührt, mit zu bringen. Egal welcher Art, hauptsache, die Zeilen haben ihn gefühlsmäßig erreicht. Ein Songtext, eine Werbeanzeige, ein Zeitungsbericht, ein selbst geschriebenes Gedicht u.ä. Der Textbringer erklärt den anderen, warum er gerade diesen Text beisteuert, und wer mag, kann sich äußern. Natürlich alles freiwillig.



Bräuche

Okay, okay, den Adventskranz dürft ihr ja behalten! Aber sonst könnten ihr ja dieses Jahr mal Neuland betreten, was die Weihnachtsbräuche betrifft. Sei es, dass ihr in der einheimischen Historie kramt, sei es, dass ihr über den Tellerrand guckt. In andere Länder. Die zum Teil ganz witzige Bräuche und Figuren rund um Weihnachten kennen und das Fest selbst anders gestalten als wir. Die interessantesten Entdeckungen, die ihr bei dieser Erkundung aufspürt, könnt ihr dann übernehmen.

Einige Vorschläge: am 4. Dezember Barbarazweige schneiden, am 13. Dezember Luciaweizen ziehen, am 21. Dezember (Thomasnacht) Mistelzweige an Freunde verschenken, Mistelzweige über Türen hängen.

Was es mit den einzelnen Bräuchen auf sich hat, müsst ihr schon selbst heraus finden...


Adventskalender

In diesem Jahr überlasst ihr mal das mühsame Füllen des Adventskalender nicht eurem ohnehin schon genug geplagten Klassleiter, sondern übernehmt die Chose selbst, klaro? Und bitte nicht den vergammelten, vor Urzeiten ausgemusterten alten Familienadventskalender vom Dachboden holen und notdürftig abstauben, sondern das Prachtstück (und es wird eines werden, garantiert!) komplett selbst anfertigen. Hört sich schlimmer an, als ist. Beim Grundgerüst könnt ich euch ja auf die Minimal-Variante einer gespannten Schnur beschränken, an die dann die Päckchen, Säckchen, Umschläge oder sonst was aufgehängt werden. Die Zahl von 24 könnt ihr großzügig nach oben oder unten abwandeln, je nach Schülerzahl eurer Klasse. Dann werden eben mal zwei Päckchen an einem Tag aufgemacht bzw. einzelne Tage ausgelassen oder Lehrer beschert. Wie ihr eure Päckchen füllt, ist euch überlassen, einzige Regel dabei: der Inhalt darf nicht mehr wie eine Mark kosten! Nicht schlucken! Alles eine Frage von pfiffigen und witzigen Ideen! Gutscheine für eine Matheübungsstunde oder das Übernehmen des ungeliebten Tafeldienstes kosten schließlich überhaupt nichts! Phantasielose Geschenke wie eine Tafel Schokolade werden natürlich ausgebuht...

Wer an welchem Tag mit dem Öffnen an der Reihe ist, wird selbstverständlich ausgelost und nicht vom Lehrer oder einer zweifelhaften Schülerjury bestimmt...


Übrigens: Weitere Vorschläge von euch sind natürlich jederzeit willkommen.

Für eine wirklich "stade Zeit" in der Schule.

Denn die gefällt schließlich jedem...


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