Scheidung der Eltern - und was dann?

Familienleben nach der Scheidung
Neue Partner der Eltern
Fehlverhalten gegenüber den Neuen
Richtiges Verhalten

Gibt es ein Familienleben nach der Scheidung?

• Auch wenn du künftig entweder nur bei Mama oder nur bei Papa wohnen wirst, heißt das nicht, dass du zum zweiten Elternteil keinen mehr Kontakt hast. Wahrscheinlich weniger, aber im Grunde genommen bleiben dir die Eltern als solche erhalten.

• Der häufigste Fall ist der, dass die Mutter mit den Kindern eine "Restfamilie" bildet, für die der Vater dann Unterhalt zu zahlen hat. Oft verschlechtert sich nach einer Scheidung die finanzielle Situation für die Familie, so dass du dafür Verständnis haben solltest, dass deine Mutter dir nicht mehr jeden Wunsch erfüllen kann. Mach ihr also das Leben nicht mit ungerechten Quengeleien und übermäßigen Ansprüchen unnötig schwer!

• Vergiss auch nicht, dass sie den unangenehmen Alltag mit euch zu bewältigen hat, während sich euer Vater an den wenigen Tagen und Stunden, die er mit euch zusammen ist, von seiner Schokoladenseite zeigen kann und sicher darum bemüht ist, eure gemeinsame Zeit auf angenehme Weise mit tollen Unternehmungen und Verwöhnprogramm zu bestreiten. Deswegen ist er aber nicht der bessere Elternteil oder die Mutter der schlechtere. Bleibe also stets fair!

• Du sitzt jetzt zwischen den Stühlen, hier Mama, dort Papa. Gerade am Anfang wollen viele Partner wissen, was der andere gerade so macht: Gibt es neue Partner, geht er/sie viel aus, weint sie viel, hat er/sie neue Bekannte/Hobbys, wie ist Papas Wohnung usw. Mache deinen Eltern klar, dass es dir unangenehm ist, über den anderen ausgefragt zu werden.

• Was du ebenfalls unterlassen solltest: die schwächere Situation des Elternteils auszunutzen, der dich nicht so häufig sehen kann, indem du ihn materiell ausnimmst, will heißen, dich nach Strich und Faden verwöhnen und beschenken lässt. Das ist genauso mies, wie ihn dafür einzuspannen, bei deiner Mutter ein "gutes Wort" bei bestimmten Wünschen und Streitthemen (Taschengeld, Ausgehzeiten...) einzulegen. Die Alltagsregeln bestimmt deine Mutter, vielleicht sogar in Absprache mit deinem Vater. Aber auf jeden Fall ohne deine Einmischung!

• Kann gut sein, dass du mit dem entfernt lebenden Elternteil, der deiner Meinung nach "Schuld" an der ganzen Geschichte hat, am Anfang wenig zu tun haben willst. Vermutlich wird sich aber nach einer gewissen Zeit deine Bitterkeit legen und Gefühlen wie Verständnis oder Sehnsucht weichen. Ein gutes Zeichen, nämlich dafür, dass du verziehen und genug Distanz gewonnen hast, alles mit mehr Vernunft zu betrachten.


Mamas Neuer, Papas Neue

Mit der Scheidung ist das Liebesleben deiner Eltern nicht vorbei, schließlich sind sie dadurch ja nicht zu gefühllosen Wesen geworden. Rechne also damit, dass Mama oder Papa oder beide sich wieder verlieben und neue Partner haben werden, die bereits eigene Kinder haben oder vielleicht sogar weitere Kinder bekommen. Derartige Veränderungen werden die unterschiedlichsten Gefühle in dir wach rufen: Eifersucht, Abwehr, Unsicherheit u.ä. Plötzlich sieht deine Familienwelt ganz anders aus als bisher: Stiefvater, Stiefmutter, Stiefgeschwister, Halbgeschwister. Uff, ne ganze Menge!

Das geht sicher nicht immer ohne Reibereien ab. Kein Mensch verlangt von dir, dass du den Familienzuwachs gleich in dein Herz schließt. Das tust du mit deinen Freunden ja auch nicht. Vertrauen und Zuneigung können erst entstehen, wenn man sich ausreichend beschnuppert und näher kennen gelernt hat.

Neue Familienmitglieder erfordern ein Anpassen, Gewöhnen und Umdenken von allen Beteiligten. So, wie du dich mit den Stiefeltern erst anfreunden musst, so wollen deine leiblichen Eltern genauso Kontakt zu ihren "neuen" Stiefkindern gewinnen. Deshalb haben sie dich aber nicht weniger lieb.

Eine nicht einfache Situation, in der du aber dennoch stets fair bleiben solltest.


Was du jetzt nicht tun solltest:

• Hake die neuen Partner nicht vorschnell als "unsympathisch" ab, weil du, wenn du ehrlich zu dir selbst bist, Angst hast, sie könnten dir die Liebe deiner Eltern wegschnappen oder Schuld an der Trennung deiner Eltern sein.

• Die noch extremere Variante: Ihnen sofort den Krieg zu erklären und ihnen ankündigen, dass du sie schon wegekeln wirst.

• Ihre Grenzen und Belastbarkeit testen, indem du dich wie ein Kotzbrocken benimmst und ein total freches Verhalten an den Tag legst.

• Wann immer es geht, die Zweisamkeit der Turteltauben stören, um ihre Beziehung zu belasten und deine Eltern daran zu erinnern, dass du nicht zu kurz kommen möchtest.

• Ebenfalls unfair: Den neuen Partnern dein braves Verhalten, deine Anerkennung und Zuneigung zu "verkaufen", indem du dich von ihnen total verwöhnen lässt und unverschämte Forderungen stellst.

• Die beiden gegeneinander ausspielen und alles Erdenkliche tun, um sie wieder auseinander zu bringen.

• Deinen Eltern vorwerfen, sie würden eure Familie, ihre Kinder verraten und dich nicht mehr lieb haben.

• Die beleidigte Leberwurst spielen und dich ständig in dein Zimmer zurückziehen. Wenn du dann aus deinem Schmollwinkel mal auftauchst, behandelst du den Neuen/die Neue wie Luft.

• Deine Eltern vor die Entscheidung stellen "Er/sie oder ich!".


Wie du dich dem Neuen/der Neuen gegenüber am besten verhältst:

• Begnüge dich zunächst mit der Rolle des lockeren Beobachters: Was verändert sich nun tatsächlich? Wie geht es meiner Mutter/meinem Vater dabei? Hat der Neue/die Neue Seiten, die ich sympathisch finde? Bitte ehrlich beantworten!

• Akzeptiere, dass das Paar, wie jedes Liebespaar, gerade am Anfang mehr Zweisamkeit benötigt. Platze also nicht ohne Anklopfen in ihr Schlafzimmer (würde dir das gefallen?) und interpretiere ihre Zärtlichkeiten nicht als Triumph dir gegenüber oder als gezielten Angriff auf deine Gefühle.

• Versetze dich mal in die Lage des Familienzuwachses: Wie würdest du dich fühlen, wenn du in eine neue Wohnung zu unbekannten Kindern kommen würdest? Als Eindringling, als Gast, willkommen oder nicht? Du würdest einen tollen Charakter zeigen, wenn du dem Neuen/der Neuen seine Situation ein wenig erleichterst, den ersten Schritt auf ihn zugehst. Er/sie fühlt sich nämlich mindestens genauso unwohl und unsicher wie du auch.

• Stelle klar, dass du dich nicht von ihm/ihr herum kommandieren oder in dein Leben hineinreden lässt. Was aber nicht heißt, dass du ihm/ihr nicht gehorchen musst, wenn er/sie die Regeln überwacht, die deine Eltern für euch aufgestellt haben!

• Auch wenn der Neuzugang in deinem Herzen nie die Rolle des getrennt lebenden Elternteils einnehmen kann, solltest du ihm/ihr doch die Chance geben, dein Freund/deine Freundin zu werden.

• Gut, du hast es versucht, aber du magst den neuen Partner deiner Mutter oder die neue Partnerin deines Vaters nicht. Muss man akzeptieren, denn Gefühle wie Zuneigung lassen sich nun mal nicht erzwingen. Akzeptieren braucht man aber nicht, dass du dich ihnen gegenüber deswegen unmöglich aufführst, sie ständig provozierst und verletzt (sehr beliebt: "Du hast mir gar nichts zu sagen, du bist nicht mein Vater!") Deine Eltern haben das gleiche Recht wie du auf ihr Leben und vor allem auch darauf, dass du ihren neuen Partnern mit Respekt und Toleranz begegnest. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!


Vielleicht hast du auch etwas dazulernen können: Nämlich, dass nach einer zerbrochenen Liebe durchaus eine neue kommen kann.

Daran solltest du bei deinem nächsten Liebeskummer unbedingt denken...


© 2000 Anja Gerstberger