Benimm ist in!

Warum gutes Benehmen auch für Teenager wichtig ist
Die 12 schlimmsten Essens-Sünden
Sonstige Tabus bei Tisch
Heikle Situationen meistern
Korrekter Umgang mit Servietten
Heikle Speisen und Getränke
Fingerschalen und Stäbchen

Sicher hast du schon mal den Namen Knigge gehört.
Das war der überaus wohlmeinende und hilfsbereite Zeitgenosse, der vor über 200 Jahren das Ur-Anstands-Werk "Über den Umgang mit Menschen" geschrieben hat. Nicht wenige der verhassten "Das-gehört-sich-nicht!"-Sätze deiner Eltern dürften auf diesen Anstandspapst zurückzuführen sein.
Sein Werk ist die Benimm-Bibel schlechthin, die Generationen von unwissenden Menschenkindern in gesittete Bürger verwandelt hat oder es zumindest sollte. Nach dem Motto: Wer den Knigge beherrscht, den kann man getrost auf die Menschheit und das Leben loslassen...
Klar, dass einige von Knigges Vorschriften inzwischen längst überholt sind, andere dagegen haben bis auf den heutigen Tag ihre Gültigkeit behalten bzw. wurden den modernen Lebensverhältnissen angepasst.

Bevor ich dich nun nach und nach mit den wichtigsten Benimm-Regeln vertraut mache, will ich dir auch erklären, weshalb ein Minimum an gutem Benehmen für dich unentbehrlich ist, auch wenn du es jetzt vielleich nicht einsehen willst.
Ich kann dich nämlich gut hören:
"Ich und Benimm-Regeln, was soll denn der Müll?
So einen Schwachsinn wie Umgangsformen brauch ich nicht!
Das ist was für Snobs und eingebildete Lackaffen, für Promis und Adelige vielleicht, aber nichts für mich Normalo!
Ich bin bisher auch ganz gut ohne das Zeug zurecht gekommen!
Ich mach mich doch nicht lächerlich...!"

Aufgepasst, genau Letzteres wirst du tun, wenn du dich verweigerst!!!
Wieso?
Tja, da musst du schon weiter lesen...
Danach etwas darüber nachdenken und schließlich mitmachen.
Tut auch kein bisschen weh...!


Knigge - ein Muss auch für Teenager!

Sicher, es geht auch ohne Knigge. Jedoch nicht für immer und überall. Wie du dich zu Hause oder vor deinen Freunden aufführst, ist dir vielleicht egal. Sollte es aber nicht. Denn auch deine Eltern haben so viel Respekt verdient, dass du dich in ihrer Gegenwart ordentlich benehmen solltest. Und was deine Freunde betrifft: Weißt du, was sie von deinem Daneben-Benehmen ihren Eltern erzählen und was nicht? Aha. Und schon fühlst du dich etwas unwohl in deiner Haut, stimmt´s? Wenn nicht, hätte ich da noch weitere Argumente auf Lager, die ihre Wirkung wohl nicht verfehlen dürften...

Aus folgenden Gründen sollten auch Jugendliche unter 18 (und natürlich auch älter!) über ein Mindestmaß an Benimm verfügen:

• Während sich derzeit dein so genanntes gesellschaftliches Leben hauptsächlich in Familie, Schule und mit Freunden abspielt, werden die Kreise, in denen du dich bewegst, mit zunehmendem Alter weiter und wichtiger. Ein Schnitzer am Familientisch ist weit weniger peinlich als ein Essens-Missgeschick beim Restaurantbesuch mit Arbeitskollegen, Vorgesetzten, der neuen Liebschaft oder den Schwiegereltern in spe. Da wirst du sicher einen möglichst guten Eindruck hinterlassen wollen, mit dem erforderlichen Benimm-Know-How kein Problem!


• "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr!" Je älter du bist, bevor du dich mit den Spielregeln des gesellschaftlichen Lebens vertraut machst, umso schwerer wird es dir fallen. Gleichzeitig wird die Wahrscheinlichkeit größer, peinliche Fehler zu begehen, denn was dir nicht in jungen Jahren quasi "in Fleisch und Blut" übergegangen ist", wird dir später immer etwas mühsam fallen. Und auf andere auch so wirken. Verkrampft, hölzern, tollpatschig und unbeholfen. Wem´s nichts ausmacht...

• Das Wissen, dich in der jeweiligen Situation stets korrekt zu verhalten, verleiht dir automatisch eine Menge Sicherheit und damit gleichzeitig auch Selbstvertrauen. Du wirkst auf andere souverän, stark, selbstbewusst und sympatisch. Wahrlich keine schlechten Eigenschaften, oder?

• Dein Verhalten ist deine persönliche Visitenkarte. Wer will schon eine zerknitterte mit Schmutzflecken, wenn er eine edle mit Goldrand haben kann?

• "Der schlechte Ruf hallt nach." Was leider der Wahrheit entspricht. Ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung: Dein Chef wird sich in einigen Monaten kaum mehr an das Thema deines Votrages erinnern, wohl aber daran, dass du zu einem offiziellen Geschäftstermin zwanzig Minuten zu spät, ohne Krawatte, dafür aber mit einer extremen Knoblauchfahne erschienen bist...

• Ob im Berufs- oder im Privatleben, ob bei Freunden oder Fremden: Leute, die sich zu benehmen wissen, werden geschätzt und haben nicht zuletzt auch deswegen Erfolg. Möchtest du darauf aus falscher Verbohrtheit und jugendlicher Starrköpfigkeit verzichten?

• Nicht zu vergessen: Möchtest du einen Partner haben, mit dem du dich nicht aus dem Haus bzw. auf das öffentliche Parkett traust, aus Angst, dass er wieder sämtliche Fettnäpfe mitnimmt?!? Wohl die wenigsten Menschen finden Rülpel sonderlich anziehend...

• Umgekehrt kannst du mit einem ausgezeichneten Benehmen ungeheuer Eindruck schinden und mächtig Punkte einfahren! Bei deiner Flamme, deren Eltern, deinen Kollegen, deinem Chef...

So, und jetzt nenn mir bitte ein einziges Argument, das gegen höfliches Benehmen spricht!
Bingo!


Die 12 schlimmsten Essens-"Sünden"

1. Sei kein Kampfschwein!

Will heißen, dass du weder deine Beute dadurch verteidigen musst, indem du deinen Arm schützend um den Teller legst, noch deinen Kopf wie eine Sau in den Futtertrog hängen lässt! Das Essen wird zum Mund geführt und nicht umgekehrt!


2. Kaue nicht mit offenem Mund!

Denn nur die wenigsten Menschen werden einen kunterbunten, fein gekauten Essensbrei als ein schönes Bild empfinden. Der Spiesematsch vorm Runterschlucken hat nämlich verdammte Ähnlichkeit mit Erbrochenem...


3. Sprich nie mit vollem Mund!

Einerseits, um deinen Tischgenossen den unschönen Anblick wie unter Punkt Zwei beschrieben zu ersparen. Andererseits aber auch, um nicht Gefahr zu laufen, unfreiwillig Essens-Geschosse abzufeuern. Oder möchtest du, dass dir die Brocken der anderen um die Ohren fliegen?


4. Nimm den Mund nicht zu voll!

Du musst wirklich niemandem beweisen, dass du in der Lage bist, einen halben Knödel oder gar einen kompletten Hähnchenschenkel auf einmal in den Mund zu bekommen. Kein Mensch will etwas derart Unwichtiges wissen und erst recht nicht sehen! Backenhörnchen sind zwar possierliche Tierchen, zweibeinige allerdings weniger...


5. Überlade deine Gabel nicht!

Damit die Strecke vom Teller bis zu deinem erwartungsvoll geöffneten Mund nicht zu einer Nerven aufreibenden Zitterpartie wird, die möglicherweise in einem Fiasko endet! Nämlich dann, wenn das mühsam zusammengefaltete Salatblatt aufklappt und das Dressing durch die Gegend spritzt. Wenn das Kartoffelstück in die Soße patscht und braune Fontänen in die Höhe schießen lässt. Wenn sich der beängstigend hoch aufgetürmte Erbsenberg im allerletzten Augenblick selbstständig macht und die kleinen grünen Biester fröhlich über den Tisch kullern (und meistens im Schoß der Nachbarschaft landen). Wenn...


6. Schling nicht wie ein hungriger Wolf!

Glücklicherweise muss sich in unseren Breiten niemand mit dem anderen um sein Nahrungsmittel streiten, sondern alle werden satt. Und bei guten Gastgebern kannst du davon ausgehen, dass mehr als reichlich zu essen vorhanden ist, denn sie wollen sich nicht die peinliche Blöße geben, dass ihnen das Angebot "ausgeht". Im Restaurant wiederum brauchst du keine Angst zu haben, dass dir jemand was wegnehmen könnte. Was auf deinem Teller liegt, gehört dir. Schließlich gibt es für denjenigen, der als Erster seine Mahlzeit beendet hat, auch keinen Preis zu gewinnen. Du hast also alle Zeit der Welt, dein Essen ausgiebig zu genießen...


7. Der Teller ist kein Schlachtfeld!

Allen anderen Auffassungen zum Trotz bedarf das Essen auf deinem Teller keiner weiteren Verwandlung mehr, bevor es deinem Mund zugeführt werden kann, sondern ist bereits fix und fertig. Jetzt ist nur noch das Zerteilen in mundgerechte Stücke angesagt, aber nicht das hemmungslose Panschen und Matschen! Sämtliche Beilagen zu einem Einheitsbrei zu vermischen ist ebenso verboten wie die anfängliche Komplettzerlegung des Fleischstückes in viele kleine Happen nach dem Motto "Warum nicht alles in einem Aufwasch?"! Derartige "Vorarbeiten" ist nur den Müttern von Alete-Zwergen erlaubt...


8. Lauthals Schmatzen tun nur die Katzen!

Beim genussvollen Milch schlabbern oder Whiskas fressen. Und auch nur deswegen, weil sie nicht sprechen können. Im Gegensatz zu dir. Du bist nämlich sehr wohl in der Lage, dein Entzücken über ein besonders wohlschmeckendes Gericht in Worten anstatt in Lauten auszudrücken. Und was das noch abstoßendere Schlürfen betrifft: Lass die Flüssigkeit etwas abkühlen und schon geht´s ohne!


9. Trinke nicht mit vollem Mund!

Denn ein Soßen-oder-sonst-was-verschmiertes-Glas sieht einfach nur garstig aus. Kann nur noch dadurch "getoppt" werden, dass nach dem Absetzen des Trinkgefäßes kleine Essens-Bröckelchen darin schwimmen. Mmhmm, sehr lecker...!


10 . Unterdrücke Lautäußerungen jeglicher Art!

Kleine Babys lässt man aufstoßen, damit sie nicht zu viel Luft schlucken. In deinem Alter brauchst du diesen akustischen Beweis nicht mehr erbringen und kannst dir das "Kröpserchen" also sparen! Selbst nach stark kohlensäurehaltigen Getränken solltest du in der Lage sein, das Rülpsen zu unterdrücken. Lautstarkes Stöhnen oder Ausatmen als Zeichen von Völlegefühl sind ebenso tabu wie Missfallensäußerungen à la "Bähhh!" oder "Pfui Teufel!". Und selbstverständlich auch das geräuschvolle Ablassen überlriechender Gase...!


11. Appetit-Verderber-Themen verboten!

Gegen eine kurzweilige Unterhaltung bei Tisch ist partout nichts einzuwenden. Jedoch solltest du dabei bestimmte Themen aussparen, da sie empfindlichen Menschen auf den Magen schlagen könnten. Oder möchest du eitrige Geschwüre, Durchfallerkrankungen, Erbrochenes, Horrorfilme bis aufs kleinste Detail geschildert bekommen, während du gerade ein Stück Pizza in den Mund schiebst?


12. Reinigungs- und Verschönerungsaktionen gehören ausschließlich in Sanitär-Räume!

Nichts gegen Körperpflege. Allerdings sollte sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit in den dafür vorgesehenen Örtlichkeiten, sprich Toiletten, stattfinden. Wenn dir also ein hartnäckiger Essensrest zwischen den Zähnen hängt oder es dich gerade nach Nase bohren, Ohren säubern oder Fingernägel reinigen gelüstet, dann schwing dich bitte in die Toiletten- bzw- Waschräume. Das gleiche gilt übrigens auch für Damen, die ihre Lippen nachziehen oder ihr Make-up auffrischen möchten!

Sonstige Tabus bei Tisch:

Nicht ganz so schlimm wie die 12 ultimativen "Sünden", aber auch nicht unbedingt eine Empfehlung und daher möglichst zu unterlassen:

• Mit der Tischdekoration spielen: am Kerzenwachs herumfingern, die Blumen neu ordnen, Schalen und Gestecke umgestalten, Tischdecke und Bänder genauestens unter die Lupe nehmen...

• Das Besteck so weit vorne anfassen, dass deine Fingerspitzen die Gabelzinken bzw. die Messerschneide berühren...

• Mit dem Besteck in der Hand wild gestikulieren, so dass deine Nachbarn um ihre Unversehrtheit, insbesondere ihr Augenlicht fürchten müssen...

• Den Ellenbogen aufstützen und sich nach vorne flezen sowie ähnliche "Lümmelhaltungen" und Füße-um-das-Stuhlbein-Wickeln...

• Das Messer ablecken...

• Dermaßen hektisch auf dem Stuhl herumzappeln, dass man Angst haben muss, dass du bei der nächsten Bewegung Gläser und Blumenvasen umschmeißt, dem Kellner das Tablett aus der Hand reißt oder gar das Gleichgewicht verlierst und vom Stuhl fällst. Bei Letzterem bitte nicht Halt suchend nach der Tischdecke greifen...!

• Direkt aus der Sprudelflasche trinken...

• Deinen Tischgenossen Ohrenschmerzen zuzufügen, indem du mit dem Messer auf dem Porzellan quietschst oder mit der Gabel auf dem Teller bzw. am Glas herumklimperst. Auch das "leisere" Füßescharren sollte unterbleiben...

• Während du noch kaust, schon wieder das nächste Stück abschneiden und in Lauerstellung vor dein malmendes Gebiss bringen...

• Fettige Finger ablecken anstatt zur Serviette zu greifen...

• Die Papp-Untersetzer in Minischnipsel zerlegen oder zu Turmbauten missbrauchen...

• Die Deckel von Salz- und Pfefferstreuer losschrauben...

• Dein Gericht mit Salz, Pfeffer oder gar Maggi "nachwürzen", noch ehe du davon probiert hast...

• Das heiße Essen auf Gabel oder Löffel mit feisten Pausbacken anzublasen, damit es schneller abkühlt...

• Bei einem überheißen Bissen Verbrennungen im Mund zu vermeiden, indem du deinen Schnabel zwecks Frischluftzufuhr sperrangelweit aufreißt und geräuschvoll die wohltuend kalte Luft einsaugst...

• Teile der Tischdekoration oder des Geschirrs dazu hernehmen, um deine Erzählung optisch zu veranschaulichen...

• Rauchen, solange am Tisch noch gegessen wird bzw. ohne zuvor um Erlaubnis gefragt zu haben...

• Last but not least: Sämtliche Nebenbeschäftigungen wie Lesen, Schreiben, Zeichnen, Gameboy spielen, Handy benutzen u.ä.


Was soll ich tun, wenn...?

... mir das Besteck herunter fällt?

Es aufheben und die Bedienung bzw. den Gastgeber um ein neues bitten.

... ich nicht weiß, welches Besteck ich für welche Speise nehmen soll?

Grundätzlich gilt, dass von außen nach innen gegessen wird, d.h. liegen mehrere Messer und Gabeln neben deinem Teller, dann nimmst du zuerst das äußerste Paar und tastest sich dann von Gang zu Gnag nach innen vor. Das Besteck für das Dessert findest du immer an der Oberseite. Ansonsten immer die "Profis" beobachten und schauen, was die anderen machen, das gilt auch für Speisen, von denen du nicht weißt, wie man sie korrekt ist.

... ich etwas ohne Besteck essen soll, es aber so groß ist, dass ich es nicht auf einmal in den Mund bekomme?

Es in die Hand nehmen und vorsichtig abbeißen.

... mein Essen schon serviert ist, aber die anderen am Tisch noch nichts bekommen haben?

Bei einem heißen Essen darfst du anfangen, bei einem kalten wartest du, bis alle bedient worden sind

... ich mein Glas umwerfe?

Mit der Serviette die verschüttete Flüssigkeit aufsaugen, die Gastegeberin bzw. Bedienung informieren und um Hilfe bitten, dich natürlich für dein Missgeschick entschuldigen und um ein neues Getränk biten.

... ich einen Fleck auf das Tischtuch mache?

Kein großes Theater und Aufsehen erregende Putzaktionen, wenn es außer dir sowieso keiner sieht oder mitbekommen hat.

... mir etwas nicht schmeckt, das ich schon im Mund habe?

Es auf keinen Fall zurück auf den Teller spucken! Entweder diskret entsorgen, indem du eine Papierserviette (oder, wenn es nur Stoffservietten gibt, ein Papiertaschentuch, das du dann einsteckst) zum Mund führst, das Stück möglichst unauffällig hineingleiten lässt und dann zusammenknüllst, oder - die elegantere Lösung - den Bissen hinunterschlucken und auf einen zweiten verzichten. Tipp: Bugsiere den Bissen mit der Zunge ganz hinten in den Mund, denn dort befinden sich keine Geschmacksnerven mehr, und anschließend "runter mit dem Teil"! Danach bei Bedarf mit der Serviette den Mund abputzen und einen Schluck trinken, um den unangenehmen Geschmack wegzuspülen.

... ich beim Kauen auf einen Knorpel, ein Stückchen Knochen oder einen Kern stoße?

Bitte nicht würgen und angewidert ausspucken! Stattdessen die Hand an den Mund führen, das ungenießbare Teil hineingleiten lassen und auf dem Tellerrand ablegen.

... ich etwas Unappetitliches im Essen finde?

Auf keinen Fall laut schreien und aufspringen, sondern dich möglichst unauffällig verhalten (evtl. vorzeitig mit dem Essen aufhören). Im Restaurant kannst du dich beschweren, allerings nicht, solange die anderen noch beim Essen sind. Denn dann könntest du ihnen den Appetit verderben. Bist du privat eingeladen, dann behaupte entweder höflich, dass du schon satt bist (Variante "Notlüge") oder erkläre deiner Gastgeberin - möglichst unter vier Augen oder so diskret, dass es die anderen Gäste nicht mitbekommen! - , weshalb du nicht mehr weiter essen wolltest (Variante "Ehrlichkeit"). Variante Zwei erfordert natürlich eine Menge Fingerpitzengefühl bei der Wortwahl, klaro?

... ich noch gerne einen Nachschlag haben möchte?

Höflich darum bitten und bei einer Privateinladung die Gastgeberin für das vorzügliche Essen loben. Nimm aber beim zweiten Mal gleich so viel, dass du keine dritte oder vierte Portion "nachladen" musst, Denn das würde dann doch sehr gefräßig wirken...


... ich einen Teil des Gerichts nicht mag?

Schon bei der Bestellung darum bitten, dass man diese eine Zutat weglässt.

Hast du keine Möglichkeit zur Umbestellung und bekommst das Gericht fix und fertig vorgesetzt, dann iss einfach alles andere auf und lass nur die eine Zutat liegen.

... ich Vegetarier bin und es Fleisch gibt?

Am besten erst gar nicht so weit kommen lassen und bereits im Vorfeld auf deine spezielle Ernährungsform hinweisen (das Gleiche gilt übrigens auch für Allergiker!). Ansonsten kannst du nur die Beilagen essen oder bei einer Pizza die Salamischeiben an den Tellerrand legen. Wenn du das Essen überhaupt nicht anrührst, musst du zumindest erklären, weshalb, alles andere wäre unhöflich.

... ich eine kurze Pause einlegen möchte, ohne dass mir gleich mein Teller weggeräumt wird?

Messer und Gabel nicht nebeneinander, sondern gekreuzt auf den Teller legen, und zwar so, dass der Griff nicht auf dem Tischtuch aufliegt!

... ich mit dem Essen fertig bin und nichts mehr nachhaben möchte?

Messer und Gabel parallel zueinander und eng nebeneinander auf der rechten Tellerhälfte ablegen. Der Dessertlöffel kommt übrigens nicht in das ausgelöffelte Schüsselchen, sondern auf den Unterteller!


Extra: Der korrekte Umgang mit Servietten

Verboten:

• Als Taschentuch missbrauchen

• Gläser polieren oder Besteck nachreiben

• Brille putzen

• In den Ausschnitt stecken oder wie ein Babylätzchen umbinden

• Zusammengeknüllt auf den Teller legen

Richtig:

• Vor dem Essen auseinanderfalten und in den Schoß legen.

• Bei einem Toilettengang gefaltet neben den Teller und anschließend wieder auf den Schoß legen.

• Zwischen Essen und Trinken zum Mund führen und die Lippen abtupfen.

• Nach dem Essen gefaltet neben den Teller oder - falls bereits abgeräumt worden ist - in die Mitte des Tisches legen.

Wie isst man ...?

Extrem heikle Gerichte (Artischocken, Hummer...) kannst du ganz einfach umgehen, indem du sie gar nicht erst bestellst. Bei Privateinladungen geht das natürlich nicht, aber dort wirst du deratige Speisen wohl in den seltnesten Fällen vorgesetzt bekommen. Daher findest du hier "normale" Sachen, die es jedoch durchaus in sich haben können, sowie einige wenige "Spezialitäten".

Viel Spaß beim Staunen und Üben!

Belegte Brote

Indem du mit Messer und Gabel mundgerechte Stücke abschneidest (das gilt auch für Sandwiches!), die du nach und nach (nicht das komplette Brot auf einmal in viele kleine Teile schneiden, um die Arbeit in "einem Aufwasch" zu erledigen!) zum Mund führst. Bitte nicht die Scheibe in die Hand nehmen und abbeißen, auch dann nicht, wenn du sie zuvor halbiert und zusammengeklappt hast. Das ist nur beim Pausebrot erlaubt!

Unbelegte Baguette- und Toastscheiben

Bitte nicht, auf einmal bestreichen und dann abbeißen, sondern mundgerechte Stücke abbrechen, das jeweilige Stück bestreichen und in den Mund schieben.

Brötchen

Bitte nicht in die Hand nehmen und herzhaft hineinbeißen! Brötchen werden nicht mit dem Messer aufgeschnitten, sondern mit der Hand gebrochen und anschließend mit Butter bestrichen. Dazu verwendest du das Messer (wenn nur eines da liegt), das äußere Messer (wenn mehrere neben dem Teller liegen) oder das Buttermesser, das seitlich oberhalb deines Tellers auf einem kleinen Tellerchen liegt.

Dessert

Viele Nachspeisen werden - wenn es sich um so genannte Dessert-"Variationen" handelt, aber auch kleine Küchlein und Crêpes - mit Dessertbesteck, also Gabel und Löffel, serviert. Je nach dem, ob nun der Löffel (bei Eis mit Früchten oder Tirami Su) oder die Gabel (bei Kuchen mit Garnitur) "Hauptwerkzeug" ist, nimmst du das entsprechende Gerät (als Rechtshänder, bei Linkshändern natürlich umgekehrt) in die rechte Hand und das zweite Besteckteil als "Fixier"- oder "Schiebe"-Hilfe in die andere.

Eier

Klein, aber oho! Gekochte Frühstückseier in der Schale bleiben auf jeden Fall in ihrem Eierbecher und werden nicht etwa herausgenommen und auf den Tisch gehauen! Du kannst sie entweder mit dem Messer mit einem gezielten und vorsichtig dosierten Hieb köpfen (aber wirklich vorsichtig, damit deine Tischgenossen keine Dotterspritzer abkbekommen!) oder mit dem Löffel leicht anklopfen und dann die Schale abpellen bzw. den oberen Teil komplett mit Schale abheben. Eierspiesen wie Omelette und Rührei werden nur mit der Gabel gegessen, bei Spiegeleiern dagegen empfiehlt sich das Messer zu Hilfe zu nehmen.

Fisch

Nur in Ausnhamefällen bekommst du heute den Fisch noch komplett serviert, in der Regel zerlegt ihn entweder der Kellner für dich oder der Fisch ist bereits "verzehrfertig" auf deinem Teller. Wenn nicht, schneidest du zunächst Kopf und Schwanz ab (ohne zu schreien oder angewidert das Gesicht zu verziehen!) und löst danach das obere Filet von der Gräte. Dazu schneidest du am besten das Filet in der Mitte der Länge nach auf, klappst die Haut nach außen und hebst vorsichtig die beiden Filetteile heraus. Um an die zweite Hälfte zu gelangen, kannst du entweder den Fisch umdrehen und die Prozedur wiederholen oder aber behutsam die Gräte ablösen.

Garnelen

Wie kommt man nur an das leckere Garnelenfleisch, wenn das Tierchen noch in der Schale steckt? Ganz einfach: Packe die Beinchen an ihrer Unterseite und ziehe sie ab, danach lässt sich die Schale leicht lösen. Anschließend packst du das Tierchen am Kopf und zeihst mit der anderen Hand, bis du die Schale abbekommst. Ist kein extra Teller für die Schale vorgesehen, legst du die Stücke einfach auf den Rand deines Tellers ab.

Oliven

Oliven mit Kern beförderst du mit der Gabel (nicht aufspießen, sondern auflegen!) in den Mund und spuckst den übrig behaltenen Kern möglichst geräuschlos und unauffällig in die Hand. Entsorgen kannst du ihn entweder in einer eigens dafür vorgesehenen Schale oder - wenn es keine gibt - auf den Rand deines Tellers.

Plätze, wo die Kerne nichts zu suchen haben sind Aschenbecher, Tischdecke oder gar die Schale mit den übrigen Oliven!

Schaschlik und andere Spieße

Bitte nicht das Fleisch am Spieß lassen und umständlich um den Spieß herumschneiden! Nimm den Spieß an seinem äußersten Ende, stelle ihn schräg auf deinen Teller und streife nun vorsichtig die Fleischstücke mit der Gabel ab. Die Betonung liegt auf vorsichtig, um keine unfreiwilligen Wurfgeschosse abzufeuern...

Spaghetti

Auf jeden Fall nicht mit der radikalen "Miniwurm"-Methode! Spaghetti in kleine wurmähnliche Stücke zu zerschneiden, um sie leichter auf die Gabel zu bekommen, ist tabu! Statt mit Messer und Gabel werden die Spaghetti mit Löffel und Gabel bzw. nur mit der Gabel gegessen. Dazu stichst du mit der Gabel in die Spaghetti hinein, hebst sie auf den Löffel und drehst sie dort zu einem mundgerechten kleinen Knäuel. Achtung, nicht zu viele Spaghettis anstechen, sonst wird das Knäuel zu groß! Die "Profis" verzichten auf den Löffel als "Wickelhilfe" und drehen das Nudelknäuel gekonnt am Tellerrand auf. Was auf einem flachen Teller jedoch nicht klappt. Grundsätzlich ist also die Löffel-Methode okay.


Was macht man mit...

Fingerschalen?

Bei Gerichten, die du mit den Fingern essen musst (Schalentiere, Spareribs.u.ä.) erhältst du ein kleines Gefäß mit Wasser, in dem eine Zitronenscheibe schwimmt. Um das Fett von den Fingern zu wischen, aber nicht direkt auf die Serviette zu schmieren, sollst du erst deine Finger in dem Wasser abspülen, bevor du sie mit deiner Serviette abtrocknest. Die Zitronenscheibe soll verhindern, dass deine Finger "riechen".

Stäbchen?

In den meisten China-Restaurants wirst du ohnehin gefragt, ob du lieber mit Stäbchen oder mit Besteck essen möchtes. Wenn du es mit den traditionellen Stäbchen nicht kannst oder willst, kannst du getrost um Messer und Gabel bitten. Bist du mutig? Dann lass dir entweder von der Bedienung oder einem Könner am Tisch die richtige Haltung und Handhabung zeigen. Willst du dich nicht blamieren, kannst du ja zu Hause so lange üben, bis du dich an die Öffentlchkeit traust. Ist gar nicht so schwer! Du musst lediglich darauf achten, dass du die Stäbchen nicht zu voll lädst, so dass die Ladung kurz vor dem Mund wieder herunterfällt. Ach ja, Stäbchen sind weder dazu gedacht, damit Fleisch- bzw. Gemüsestücke aufzuspießen noch um sie zu einem "Schnauzbart" zwischen Nase und Oberlippe einzuklemmen!

Tipp: Bei einem gemütlichen Abend mit Freunden selber kochen und üben!


Was dieser Artikel nicht soll

:

• Dir dermaßen viel Angst einjagen, dass du dich nie mehr in ein öffentliches Lokal traust.

• Dir weismachen, dass die anderen das alles auf Anhieb perfekt beherrscht haben.

• Dir den Spaß am Essen vermiesen.

Sondern:

• Dich ermutigen, dich auch mal an schwierigere Gerichte zu wagen.

• Dir bei einem besonders wichtigen Anlass peinliche Auftritte ersparen.

• Dir helfen, dich in deiner gesamten Person weiterzuentwickeln.

© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by MacMillan Inc., verwendet in Lizenz