Weihnachten - mehr Frust oder mehr Lust?

Weihnachts-Frust
Weihnachst-Lust

Spätestens, wenn einem irgendwann im September bei nachsommerlichen Temperaturen die dreisten Weihnachtsmänner im Supermarkt völlig schamlos entgegen grinsen, weiß man, dass ab jetzt wieder der alljährliche Countdown zum Fest der Feste läuft.

Das (Geschäfts-) Volk bläst zum Weihnachtshalali. Die Frauenzeitschriften wärmen alte Rezepte auf, die Schaufenster zieren wahlweise schriller High-Tech-Advents-Schmuck oder flippige Weihnachtsmänner und die unzähligen Werbeprospekte, die unsere Briefkästen zumüllen, erinnern uns mit erhobenem Zeigefinger an unsere Geschenkepflichten. Dazu erschallt liebliche Weihnachtsmusik. All überall. In den Einkaufstempeln sowieso, aus den einfallslosen Radiostationen und gelegentlich sogar in den Warteschleifen beim Telefonieren.

Wer von uns, bitte schön, kommt bei einer dermaßen penetranten, äh, wollte sagen hartnäckigen Stimmungsmache nicht in Stimmung, egal welche...?

Nur wenige Themen bieten so viel Sprengstoff wie Weihnachen.

Entweder du liebst Weihnachten oder du hasst es. Extreme Emotionen. Hüben wie drüben. Dazwischen gibt es nichts!

Tatsächlich? Und weshalb eigentlich?

Darum nun einige kritische Gedanken zum Thema Weihnachten, ich hoffe, welche der differenzierteren Art...


Weihnachts-Frust

Stress

Hektik, Eile, Arbeit ohne Ende. Und das alles bei zu wenig Zeit. Kein Wunder, dass viele Leute mit dem Begriff Weihnachten automatisch auch Stress assoziieren. Der meiner Meinung nach hausgemacht ist. Oder zwingt euch irgend jemand, auf jeder Adventsfeier aufzutauchen, sämtliche erreichbaren Weihnachtsmärkte abzuklappern und die Geschenke erst zwei Tage vor dem Fest zu kaufen? Eben. Alles eine Frage der Bescheidenheit und Organisation...

Konsumterror

Wozu sonst gibt es das extra Weihnachtsgeld, wenn nicht, um mit großzügigen Geschenken zu protzen und selbst die Nichte dritten Grades zu bescheren? Oder könnten wir uns sonst den Karpfen, Lachs, das edelste Fleisch und all die anderen sündhaft teuren schmackhaften "Schweinereien" leisten? Wenigstens einmal im Jahr den Delikatessenladen aufkaufen. Zumindest andeutungsweise. Getreu dem Motto:

"An einem Fest wie Weihnachten ist das Beste gerade gut genug!" Denselben Schmuck im Vorgarten wie letztes Jahr? Was sollen nur die Nachbarn von uns denken? Den Baum in unserem alten Rot, wo doch heuer Champagnerfarben modern ist? Die exorbitant zunehmende Zahl an Lichterketten oder diversen, meist besonders geschmackvollen Christmas-Leuchtobjekten in den Häusern und Gärten erinnert mich ziemlich stark an ein Wettrüsten...

Falscher Ehrgeiz im Weihnachtswettbewerb

Die fleißigen Hausfrauen überbieten sich gegenseitig in der Zahl der gebackenen Plätzchensorten und der Gänge des Festmenüs, sowie in der bewundernswert komplizierten Zubereitung bei beiden. Die braven Ehemänner und Väter stechen sich in diesem heimlich ausgeschriebenen Wettkampf gegenseitig aus, was die Ausgefallenheit (eigener Stern am Firmament gewinnt gegen Geldbörse aus echtem Wüstenspringmausleder) oder Kosten (fünf Karat besiegen massiven breiten 750er Goldarmreifen) der besorgten Geschenke angeht. Nicht zu vergessen die Höhe des Weihnachtsbaumes! Und der Nachwuchs? Die Sprößlinge machen dieses bescheuerte Spielchen als Nutznießer gerne mit und vergleichen nach den Feiertagen ihre Geschenkeliste mit denen der Freunde. Während sich die Geschäftsleute die Hände reiben und ihre üppigen Einnahmen zählen...

Streit

Das Fest der Liebe endet mit schöner Regelmäßigkeit in heftigem Streit. Was nur logisch ist und niemanden verwundern sollte. Jeder fiebert mit bestimmten, oft sehr hohen Erwartungen dem 24. Dezember entgegen und wird dann oft enttäuscht. Auch der arbeitsmäßige Endspurt mit verschärften Stressbedingungen trägt nicht unbedingt zu einer entspannten Atmosphäre bei, sondern lässt die Nerven der Beteiligten eher blank liegen. Das Tüpfelchen auf dem hochexplosivem Stimmungsdynamit bildet dann der Umstand, dass man plötzlich tagelang - den vielen Feiertagen sei Dank!- mit seiner Familie auf engstem Raum zusammen ist. Eine ungewohnte Situation, die fast zwangsläufig zum Gruppenkoller, sprich, Zoff und Ärger, führt. Menschliche Nähe ist schön. Zu viel davon weniger.

Pflichten

Der festliche Höhepunkt des Jahres bringt neben den zahlreichen Annehmlichkeiten wie Urlaub und Gaumenkitzel auch lästige Pflichten mit sich. Denen es Zähne knirschend nachzukommen gehört. Mindestens Karten, wenn nicht Briefe an die entferntesten Tanten und Onkels schreiben und die besuchen müssen, die weniger als zwei Stunden Autofahrt entfernt wohnen. Geschenke auch für solche Leute kaufen, die man eigentlich überhaupt nicht leiden kann, es aber von einem erwarten. Und dich ein mögliches Versäumnis bitter spüren ließen. Viel zu riskant...

Schließlich besuchen nicht wenige Jugendliche den Weihnachtsgottesdienst nur deswegen, um den lieben Familienfrieden über die Feiertage nicht zu gefährden...

Instant-Weihnnachten

Der Punkt, der mich persönlich am meisten aufregt. Weihnachten auf die lieblose Art, aus der Konserve sozusagen. Aufmachen, erhitzen, fertig! Einfach, aber geschmacklos. Mitspielen wollen alle, doch mit möglichst geringem Aufwand. Plätzchen kaufen statt selber backen. Fertige und fertig gefüllte Adventskalender besorgen statt selber welche basteln und füllen. Prächtigen Christbaumschmuck kaufen statt selber welchen in mühe- und liebevoller Handarbeit anzufertigen. Also ich fand es als kleines Mädchen klasse, dass meine Eltern meinen verunglückten Engel mit der krummen Schnute und einem verbogenen Flügel aufgehängt haben...

Und am Heiligabend nölt dann irgendein austauschbarer Schlagerfuzzi sein "Stille Nacht" vom Band, wo eigentlich helle Kinderstimmen erklingen sollten...

Wie gut, dass es da noch die andere Seite von Weihnachten gibt!


Weihnachts-Lust

Erinnerungen und lieb gewordene Rituale

Weihnachten ist ein Fest für die Kinder, hat meine kluge Oma immer behauptet. Weise Frau, meine Oma. Stahlende Kinderaugen in mit vor Aufregung geröteten Gesichtern rechtfertigen das weihnachtliche Brimborium. Staunende Blicke auf den beleuchteten Baum mit offenen Mündern und piepsende Stimmchen, die voller Begeisterung die gesamte Weihnachtsliederpalette rauf und runter singen, zeigen den Erwachsenen ein Stück der Faszination dieses Festes. Und viele der "großen" Kinder erinnern sich dann "ihr" Weihnachten aus ihren Kindertagen zurück. Mit Kirchgang, Bescherung und Festmahl. In festgelegter Reihenfolge. Nach bestimmten Ritualen. Schöne, manchmal auch romantisch verklärte Erinnerungen ermahnen uns, den Weihnachtszauber jedes Jahr wieder heraufzubeschwören. Der Kinder wegen...

Glücksmomente

Mal ehrlich, auch der Abgebrühteste und Coolste unter uns erlebt an Weihnachten einen, wenn vielleicht auch nur kurzen Moment tiefer Freude oder wahren Glücks, oder? Vielleicht ein bestimmtes Lied, ein jauchzendes Kind, feierliche Musik, ein Augenblick der Stille, die Freude der anderen über deine gelungene Überraschung, ein verräterisches Glitzern in Mutters Augen, irgendein Bild in den Medien, das uns berührt. Mitten ins Herz. Für einen Moment ergriffen sein. Mensch statt Maschine. Wie schön.

Zeit

Schulferien und etliche Feiertage. Endlich mal so richtig viel Zeit für die Familie, liebe Freunde oder vernachlässigte Hobbys. Zeit ist heutzutage ein kostbares Gut. Und Weihnachten schenkt uns Zeit. Viel Zeit sogar. Wir müssen nur das Beste daraus machen...

Besinnung

Wann, wenn nicht an Weihnachten, dem Fest der Liebe und des Friedens, gäbe es eine passendere Gelegenheit für uns, sich einmal Gedanken über die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu machen? Nachdenken über Vergangenes und Pläne schmieden für später. Ehrlich zu sich selbst sein und den persönlichen Frieden suchen. Nicht zuletzt der bevorstehende Jahreswechsel sollte uns einen Moment bewusst inne halten und zur Besinnung kommen lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes...

Atmosphäre

Ich oute mich gerne als jemand, der das weihnachtliche Ambiente genießt. Festliche Musik, bestimmte Düfte, Kerzenschein, glänzende Kugeln, Räuchermännchen, Lichterpyramiden, Engel, Strohsterne. Geschmückte und heraus geputzte Bäume, Häuser und Städte. Kann richtig stimmungsvoll sein, das Ganze. Und für den Kitsch der anderen bin schließlich nicht ich verantwortlich...

Weltweite Verbundenheit

Es mag sich vielleicht ziemlich sentimental anhören, aber ich für meine Person finde den Gedanken schön, dass Weihnachten auf der gesamten Welt gefeiert wird. Ein gemeinsames Fest, das die Länder über ihre Grenzen hinweg verbindet. Ein Fest in regional unterschiedlichen Ausprägungen, jedoch mit dem gleichen Anliegen. Find ich einfach nur klasse!

Ich wünsche dir und deiner Familie eine schöne Vorweihnachtszeit!


© 2000 Anja Gerstberger